Am Samstag, den 09.01.2010, hielt die Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi einen Vortrag in der Alten Aula der Universität Heidelberg. Die Veranstaltung fand unter Federführung des Deutsch-Amerikanischen Instituts statt und war so gut besucht, dass nicht alle Interessierten Einlass fanden.
Die Juristin und frühere Richterin Ebadi begann ihren Vortrag mit der Feststellung, dass die Haltung einer Regierung gegenüber den Menschenrechten bereits an ihrer Gesetzgebung deutlich wird. Sie führte daraufhin Beispiele aus den Gesetzen der Islamischen Republik Iran auf, die Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen zur Folge haben. Die Diskriminierung von Frauen zieht sich durch weite Teile der Gesetzgebung, z.B. zählt die Stimme einer Frau nur halb so viel vor Gericht wie diejenige eines Mannes.
Auch Diskriminierungen aufgrund der Religionszugehörigkeit sind gang und gebe. Besonders zu leiden haben darunter die Angehörigen der Bahaí, eine Gemeinschaft, die sich nicht über den Glauben an einen allmächtigen Gott sondern über ethische Grundsätze definiert. Ihre Mitglieder haben stark unter Diskriminierungen und einem Entzug sogar der grundlegensten Bürgerrechte zu leiden. Aber auch andere Nicht-Muslime wie Christen und Juden werden gegenüber schiitischen Muslimen diskriminiert.
Die Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die jetzige iranische Regierung mit Füßen getreten. Viele Bücher einheimischer und ausländischer Autoren dürfen nicht publiziert werden, in den letzten Jahren wurden zudem mehrere Zeitungen und Zeitschriften verboten. Reporter ohne Grenzen führt Iran auf Platz 171 von 174 Ländern auf einer Liste zur Lage der Pressefreiheit.
Frau Ebadi betonte, dass diese Menschenrechtsverletzungen einen festen Bestandteil des jetzigen iranischen Regierungssystems darstellen.
Im zweiten Teil ihres Vortrages ging sie auf die Entwicklungen seit der Wahl im Juni 2009 ein. Der offensichtliche Wahlbetrug habe 48 Stunden nach der Wahl Millionen von Iranern zum friedlichen Protest auf die Straßen getrieben. Bereits in diesen ersten Stunden der Protestbewegung reagierte das Regime mit Gewalt, mehrere Demonstranten wurden getötet.
Seitdem versucht die Regierung mit immer zweifelhafteren Argumenten ihren Machtanspruch und die Gewaltanwendungen zu verteidigen. Frau Ebadi zerpflückte diese Argumentation analytisch und führte sie ad absurdum. Beispielsweise könne die Regierung Ahmadinedschad die eigenen Menschenrechtsverletzung nicht damit rechtfertigen, dass auch andere Länder Menschenrechtsverletzungen begingen. Des Weiteren führte sie aus, dass die Regierung den Islam für den eigenen Herrschaftsanspruch missbrauche, sich sogar selbst über die islamischen Gesetze stelle. Daher auch die große Verehrung, die dem kürzlich verstorbenen Großajatollah Montaseri zuteil wurde. Er hatte diese Vereinnahmung des Islam durch die Regierung scharf kritisiert.
Die iranische Regierung verbittet sich Kritik an ihrem gewaltsamen Vorgehen häufig mit dem Argument, dies sei eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Frau Ebadi wies diese Haltung zurück, aufgrund der Universalität der Menschenrechte sei es geradezu die Pflicht des Westens und der UNO, hier stärker als bisher Stellung zu beziehen.
Auch in der anschließenden Fragerunde wird verhalten Kritik an der Haltung des Westens laut. Die europäischen Regierungen und die USA würden sich zu sehr auf den Atomstreit konzentrieren und zu wenig auf die Einhaltung der Menschenrechte pochen.
Frau Ebadi befürchtet auch, dass wirtschaftliche Sanktionen im Atomstreit die Opposition im Iran eher schwächen als stärken würden.
Ganz eindeutig kritisiert Frau Ebadi den Konzern Siemens-Nokia, der die Teheraner Regierung mit Software beliefert hat, welche eine Kontrolle der Internet- und Handy-Kommunikation ermöglicht. Für den Aufruf zum Boykott des Konzerns erhält Frau Ebadi viel Beifall.
Die Rolle der Frauen innerhalb der grünen Bewegung wird hervorgehoben. Die Frauen mußten seit der Revolution schwere Diskrimierungen über sich ergehen lassen, umso mehr wird ihre Macht jetzt von den Regierenden gefürchtet.
Als Antwort auf eine Frage aus dem Publikum hebt Frau Ebadi eine große Stärke der Opposition nochmals hervor: die grüne Bewegung hat keine Führer, sie ist aus dem Volk heraus entstanden und wird auch weiterhin von großen Teilen der Bevölkerung getragen. Dadurch gerät sie nicht in Gefahr zusammenzubrechen, würde einer ihrer führenden Köpfe verhaftet oder umgebracht. Mussawi und Kharrubi unterstützen erfreulicherweise die Bewegung, sind aber nicht als ihre Anführer zu bezeichnen.
Frau Ebadi hat auf eine sehr rationale Art, die derzeitige Entwicklung im Iran kritisch analysiert. Neben dieser kühlen Analyse wurde aber auch die charismatische Persönlichkeit der Friedensnobelpreisträgerin deutlich. Ähnlich wie die grüne Bewegung im Iran vermeidet auch Frau Ebadi es bisher, ihrem Engagement eine bestimmte politische Richtung zu geben. Dadurch, daß sie sich ganz auf die Einforderung der Menschenrechte konzentriert, bietet sie kaum Angriffsfläche für ihre Gegner aus den Reihen des Regimes.
Aus den Reihen der Zuschauer, sowohl iranischer als auch deutscher Herkunft, gab es viel Zustimmung für diesen Vortrag.
United for a free Iran, Heidelberg, hat den Abend zum Anlaß genommen, um über unsere Gruppe zu informieren. Im Foyer der Alten Aula hatten die Besucher bei einer Tasse Tee Gelegenheit, die Gruppe und ihre Anliegen kennen zu lernen.
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